Überall hören wir, was wir erst noch kaufen müssen, wie wir uns verändern müssen, was wir alles tun sollen, um endlich okay zu sein. Bei all dem geht es meist nur um Leistung und Außenwirkung. Und ich glaube, all das führt uns in eine ganz falsche Richtung. Klar, es ist nichts falsch daran, sich weiterzuentwickeln und zu lernen. Aber ich glaube, dass vieles von dem, was wir da tun, oft an unseren wahren Bedürfnissen vorbei geht.
Insofern will ich da heute mal eine andere Perspektive aufmachen, die uns vielleicht auf einen heilsameren Weg führt. Ich selbst habe mich diesbezüglich irgendwann auf den Weg gemacht und bin da auch noch unterwegs.
Von meinen Erkenntnissen erzähle ich dir in diesem Artikel. Es geht darin um Selbsterkenntnis, ums Loslassen und darum, sich selbst wiederzufinden. Mach dir also gerne ein Heißgetränk und nimm dir ein paar Minuten Ruhe zum Lesen!
Gesellschaftliche und biografische Prägungen
Wir hören von immer mehr Menschen, die so erschöpft sind, (psychisch) krank und in große Krisen geraten sind. Und ich glaube, das kommt nicht von ungefähr.
In unserer Gesellschaft geht es viel um Leistung und Konsum. Klar, wir leben im Kapitalismus und der funktioniert nur, wenn wir viel kaufen und konsumieren. Auch wenn wir eigentlich wissen, dass wir mit dem Kauf der Margarinepackung Rama nicht das Haus auf dem Land und die gut gelaunte Familie dazu geliefert bekommen, haben wir doch jedes Mal das Gefühl, dass wir uns damit ein besseres Lebensgefühl kaufen, als mit der anderen, vielleicht sogar günstigeren und gesünderen Variante. Letztlich macht so die Werbung doch viel mehr mit uns, als wir so denken.
Es ist gewünscht, dass wir viel arbeiten, um viel zu produzieren und möglichst viel zu verdienen, damit wir dann auch möglichst viel konsumieren können. Bis zu einem gewissen Grad ist das ja okay, aber wir entfernen uns so auch ziemlich schnell von dem, was wir wirklich brauchen.
(Mehr zum Thema Konsum findest du bei Interesse in meinem Artikel „Mehr Freiheit durch Konsumreduzierung“)
Und auch in unserer Biografie liegen starke Prägungen. Wir haben schon früh gelernt, welche unserer Seiten gerne gesehen waren und welche nicht. Wir haben in der Familie, in Kindergarten, Schule, etc. erfahren, was gut ankam und was eher nicht. Also haben wir die gefragten Seiten weiter ausgearbeitet und verstärkt. Und die Anteile, mit denen wir angeeckt sind, haben wir oft tief in uns vergraben.
Und so haben wir vielleicht im Laufe des Lebens ein Bild von uns entwickelt, das uns nur in Teilen entspricht.
Suche nach Ersatz
Wenn wir Anteile in uns nicht leben, werden meist auch tiefe Bedürfnisse von uns nicht erfüllt. Und die versuchen wir dann anderweitig zu kompensieren. Das geschieht auf unterschiedlichste Art und Weise:
- Wir suchen Bestätigung im Job und arbeiten dort viel mehr als uns gut tut.
- Wir trinken zu viel Alkohol. (Wußtest du, dass Europa Spitzenreiter beim Pro-Kopf-Alkoholkonsum ist und Deutschland da an 5. Stelle liegt?)
- Wir kaufen viel mehr als wir wirklich brauchen (und manchmal auch, als wir uns leisten können).
- Wir versteigern uns mit einem übertriebenen Leistungswillen in Hobbys wie Ehrenamt, Sport & Co.
- Wir kasteien uns übermässig mit Sport und Diät, um endlich den schönen, schlanken Körper zu haben.
- Wir essen zu viel oder zu viele ungesunde Dinge.
- Wir suchen bei anderen Menschen, was wir uns selbst unbewußt versagen und geraten so in ungesunde Beziehungskonstellationen.
- Wir verbiegen uns, um irgendwie dazuzugehören.
- Wir stellen viel zu hohe Ansprüche an uns selbst oder an unsere Umwelt.
- Wir betäuben uns mit Social Media, Netflix und Co.
- etc.
Was auch immer wir tun, um die ungelebten Seiten in uns zu kompensieren, es ist unserer Lebensqualität selten dienlich und schadet ggf. auch unserer Gesundheit.
Häufig ist uns das unterbewußt klar. Manchmal versuchen wir auch, die ungesunden Verhaltensweisen abzulegen, z. B. gesünder zu essen, weniger zu trinken oder zu konsumieren. Das gelingt uns dann häufig nicht, obwohl uns eigentlich klar ist, dass es gut für uns wäre. Was dann wieder zu noch mehr Frust führt und ganz schön an unserem Selbstwertgefühl kratzt.
Oft liegen diese Misserfolge daran, dass die Ersatzstrategie für uns aktuell noch die einzige Lösung darstellt, wie wir die unbefriedigten Bedürfnisse zumindest im Ansatz kompensiert bekommen.
Insofern finde ich es sehr sinnvoll, mal zu hinterfragen, was wir WIRKLICH brauchen.
Selbstfürsorge: Sich selber entdecken
Selbstfürsorge ist nicht das Schaumbad oder das Wellness-Wochenende. Also, nichts gegen Wellness. Ich selbst liebe diese schönen Auszeiten. Aber sie sind nicht wirklich geeignet, einen grundlegenden inneren Mangel dauerhaft zu kompensieren.
Wie wäre es stattdessen damit, mal zu schauen, wonach wir Sehnsucht haben? Herausfinden, wer wir in Gänze sind? Welche Seiten noch gelebt werden wollen? Zu erkennen, wo wir uns Entfaltung bislang nicht erlaubt haben? Wo wir immer wieder über unsere gesunden Grenzen gehen?
Wie würde es sich anfühlen, uns selbst wirklich mal offen zu begegnen und ohne Erwartungen, Bewertungen oder Tabus der Frage nachzugehen, wer wir wirklich sind?
Wer sind wir, wenn es mal nicht darum geht, was andere von uns erwarten oder „was man nun mal so macht“? Was passiert, wenn ich mal den Fokus vom Außen wegnehme und den Scheinwerfer auf mich selber richte? Wenn ich aufhöre, mich in irgendwelche von außen vorgegebenen Passformen oder Rollen zu quetschen?
Versuchen wir doch mal, die Anerkennung, die wir vielleicht im Außen suchen, uns selber zukommen zu lassen, indem wir uns wirklich interessiert begegnen. Lassen wir zu, dass Stimmen in uns zu Wort kommen, denen wir bislang nicht wirklich Raum geschenkt haben. Dass wir Seiten an uns entdecken, die möglicherweise nicht ganz in das Bild passen, das wir von uns geschaffen haben. Die aber so wertvoll sind, damit wir uns komplett fühlen und Sicherheit in uns selbst finden können.
Wie wäre es, uns mal unvoreingenommen zu begegnen und unsere verschiedenen inneren Anteile anzuhören?
Das sind die Dinge, die aus meiner Sicht echte Selbstfürsorge ausmachen: Ehrliches Interesse an mir selbst und die Bereitschaft, mich auch mit Seiten auseinanderzusetzen, die ich vielleicht für mich nicht so sexy und cool finde und die vielleicht nicht komplett mit dem Bild übereinstimmen, das ich im Laufe der Jahre von mir geschaffen habe. Anteile, die mich möglicherweise auch verletzlich zeigen.
Denn ganz ehrlich: Was soll es Besseres an Selfcare geben, als mich so zu annehmen, wie ich wirklich bin?
Dem Ich Raum geben
Sich selber auf die Spur zu kommen, braucht aus meiner Erfahrung eine grundlegende Sache: Nämlich, dass wir uns überhaupt den Raum geben, um mal zu spüren, was eigentlich so bei uns los ist. Freiraum zum Fühlen schaffen statt uns mit Terminen, Input aus dem TV sowie Social Media, Onlineshopping oder Ablenkung mit anderen Menschen zuzukleistern.
Vielleicht hast du die Möglichkeit, dir ab und an eine Stunde alleine im Wald, nur mit dir selbst, zu gönnen? Morgens eine halbe Stunde mit dem Kaffee auf der Couch sitzen und deine Gedanken zu beobachten. Vielleicht kannst du mal ein Wochenende alleine ausbrechen oder sogar mal eine ganze Woche alleine verreisen? Möglicherweise nutzt du die stille Zeit zwischen den Jahren und ziehst dich in den Rauhnächten ein bißchen zurück?
(Falls Alleinsein dir noch Angst macht, schau mal in meine Artikel „Vom Zauber des Alleinseins“ oder auch „Warum du einmal im Leben alleine verreisen solltest“ rein.)
Egal, was für dich und dein Leben passt: Nehmen wir uns doch endlich den Raum, um uns selbst zu entdecken und uns selbst treu sein zu können!
Uns selbst erforschen
Wie soll jetzt dieses „Mich selbst entdecken“ funktionieren? Aus meiner Erfahrung passiert das, sobald wir in uns rein spüren und uns immer mal wieder Raum für den inneren Dialog geben: Wie geht es mir eigentlich gerade? Womit fühle ich mich wohl? Was bereitet mir Unbehagen?
Vielleicht hast du auch grad eine konkrete Situation erlebt, die ein kurzes Störgefühl bei dir ausgelöst hat. Nimm dir doch da mal direkt oder auch später, wenn du etwas Zeit hast, ein wenig Zeit, dem nachzugehen. Was sagt dir das Störgefühl? Was brauchst du? Welches Bedürfnis meldet sich da grad in dir?
Und wenn es dir noch schwer fällt, mit dir selbst in Kontakt zu kommen, habe ich noch ein paar nützliche Fragen für dich, die du dir in konkreten Situationen stellen kannst oder auch einfach mal so zwischendurch in einem ruhigen Moment:
- Warum will ich das grad?
- Warum will ich das grad nicht?
- Was ist mein eigentliches Bedürfnis?
- Was nimmt mir Energie?
- Was schenkt mir Energie?
- Was tut mir gut?
- Was tut mir nicht gut?
- Was will ich wirklich?
- Was brauche ich gerade?
- Wenn ich grad unbedingt etwas haben will: Brauche ich wirklich DAS oder liegt dahinter ein ganz anderes Bedürfnis? Frag dich bei deiner Antwort immer wieder „Warum“.
Beispiel: „Warum will ich diese teure Tasche haben?“ > „Weil ich mir damit Respekt verschaffe.“ > Warum will ich Respekt?“ > „Weil ich mich in dem Umfeld unsicher fühle.“ > „Warum fühle ich mich da unsicher?“ etc. So kommst du deinem wahren Bedürfnis näher.
Es ist gar nicht so leicht, uns da selbst auf die Schliche zu kommen. Aber es wird immer einfacher. Wir finden nach und nach kleine Puzzlestücke, die so langsam ein immer kompletteres Bild ergeben. Und dafür dürfen wir uns Zeit nehmen und sanft mit uns sein. Selfcare halt. 😉
Für diese innere Auseinandersetzung ist es hilfreich, und ganzheitlich zu beobachten und sich nicht nur auf die eigenen Gedanken zu konzentrieren. Lass neben dem Verstand auch mal anderen Wahrnehmungen Raum:
- Was sagt deine Intuition / dein Bauch zu der Situation?
- Welche Emotionen kommen auf?
- Spürst du bestimmte Gefühle auch körperlich? Drückt es z. B. plötzlich im Magen? Wird es in der Brust eng?
- Was würde dein 80-jähriges Ich dazu sagen?
Mir hilft bei all dem Erforschen das Schreiben mit Stift und Papier immer sehr. Das Durcheinander an Gedanken, Emotionen und Körperempfindungen in Worte zu fassen, erleichtert mir den Dialog mit mir selbst enorm. Ich erkenne durch das Schreiben in meinem Journal so vieles, was ich nur durch Denken gar nicht über mich herausgefunden hätte. Während der Stift über das Papier gleitet, denke ich oft „Ah, spannend!“ und „Oh, so ist das also!“. Toll! Und so einfach. 😉
Loslassen
Und vielleicht hast du auch Angst vor dem, was du da entdeckst. Das kann ich gut verstehen. Bei solchen Prozessen haben wir oft Sorge, dass das, was wir plötzlich spüren, unser Leben auf den Kopf stellt. Dass wir uns von Menschen oder Rahmenbedingungen trennen „müssen“, die uns aktuell noch Stabilität geben.
Aber erst mal geht es ja nur um die Wahrnehmung. Es geht darum, dass du dich selber erkennst. Es geht darum, Täuschungen loszulassen und zu sehen, was wirklich ist. Wer DU wirklich bist.
Und in einem späteren Schritt können wir dann schauen, was wir mit den neuen Erkenntnissen machen. Oft braucht es gar keine großen Veränderungen. Manchmal reichen schon kleine Maßnahmen, die uns helfen, mehr unserem eigenen Wesen entsprechend zu leben.
Letztlich geht es ja meist darum, für sich zu erarbeiten, wie wir das, was wir im Leben vermissen, in unser Leben holen können. Was kannst du aktiv dazu beitragen, damit sich bestimmte Bedürfnisse erfüllen? Wo kannst du gut für dich selber sorgen? Wo lässt du im unsicheren Außen los und gibst dir selbst innere Stabilität?
Bei solchen Prozessen kann es natürlich auch passieren, dass wir feststellen, dass größere Veränderungen erforderlich sind und dass wir Vorstellungen oder auch Menschen loslassen müssen, wenn wir uns selbst treu sein wollen.
Das kann uns schon mal sehr fordern. Vielleicht hast du im Freundeskreis eine wohlwollende Person, mit der du dich da austauschen kannst. Oder vielleicht machst du dich sogar mit einer guten Freundin oder deinem Partner gemeinsam auf den Weg. Alternativ kann es natürlich auch hilfreich sein, sich von einem Coach oder einer Therapeutin unterstützen zu lassen.
Aber egal, wie viele Argumente wir auch suchen, um da zu bleiben, wo wir sind: Ich habe im Laufe der Jahre festgestellt, dass dieser Prozess Hand in Hand geht: Je mehr ich mich selber wirklich mit allem annehme, desto sicherer stehe ich auf meinen eigenen Füßen. Ich weiß, dass es im Zweifelsfall eine Person gibt, die immer zu mir steht und das bin ich selbst. So werden wir unabhängiger vom Außen und finden mehr Sicherheit in uns selbst.
Und sich unabhängiger von Außen zu machen, heißt ja nicht, dass wir künftig keine anderen Menschen mehr brauchen. Wie schön ist es, sich mit Menschen zu umgeben, die wir um ihrer selbst willen lieben können und mit denen wir auf Augenhöhe sein können.
Mit so einer guten Bodenhaftung fällt es dann auch viel leichter, das im Außen loszulassen, was ggf. nicht (mehr) zu uns passt.
Selbstfürsorge
Ich bin mir jedenfalls sicher, dass es sich sehr lohnt, sich dem eigenen Inneren zuzuwenden und echte Selbstfürsorge für uns statt Selbstoptimierung für die Kulisse zu betreiben. Uns ein sicheres inneres Zuhause zu schaffen und uns Geborgenheit in uns selbst zu schenken ist das größte Geschenk, das wir uns im Leben machen können.
Zu entscheiden, ich schaue jetzt hin, wer ich WIRKLICH bin. Ich bin offen für das, was ich da entdecke, ohne irgendwelche Erwartungen. Ohne zu bewerten. Und ich nehme an, was ich sehe. Nehme mich selbst in den Arm und gebe mir so, wie ich bin, Heimat. Ist das nicht ein schöner Gedanke?
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Wenn du gerne noch weiterführende Informationen zu diesem Thema suchst, habe ich folgende Tipps für dich:
- Bei der Ärztin und Psychotherapeutin Dr. Mirriam Prieß findet man hierzu wertvolle Infos: Ihre Bücher fand ich sehr hilfreich und in ihrem Podcast „Gesundes Leben ist gelingende Beziehung“ findet man viele nützliche Gedanken. Besonders beeindruckt hat mich dieser Vortrag von ihr.
- Die Amerikanische Forscherin Brené Brown arbeitet seit Jahren zu den Themen Verletzbarkeit und Scham. Sie hat verschiedene Bücher dazu geschrieben.
- Meine früheren Artikel „Was tun, wenn der Akku leer ist?“ und Warum du es dringend vermeiden solltest, dich bis zum Burnout abzurocken.
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Ein Hinweis zu meinem Blog, falls du über eine Suchmaschine hierher gefunden hast: Auf diesem Blog „Flowers & Candies“ schreibe ich über alles, was das Leben leichter und schöner macht – für mehr Lebensfreude, Leichtigkeit, Klarheit und Naturerlebnisse.
Samstags veröffentliche ich z. B. regelmässig meine „Glücksmomente der Woche“. Wenn du also auch Lust auf gute Vibes hast, dann schau doch gerne noch mal rein oder schau dich auf meiner Startseite nach weiteren spannenden Themen um.
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Liebe Maike,
so ein WERT.voller Artikel 🙏 danke für das so detaillierte Ausformulieren.
Ich fühle mich fast von dir an die Hand genommen, wenn es um die ersten Schritte geht in die Welt der Selbstfürsorge…
Und auch, wenn „diese Welt“ mir nicht unbekannt ist, tut es einfach gut, noch einmal an all die Möglichkeiten erinnert zu werden und immer mal wieder in den Alltag zu integrieren …
Einen Herzensgruß zu dir
von Anke
Liebe Anke,
das freut mich sehr, dass er Dir gefällt. 🙂
Ja, das kenne ich auch: Irgendwie wissen wir ja vieles schon, aber irgendwie geht manches zwischendurch wieder verloren.
Viele liebe Grüße
Maike