Eine alte Sehnsucht – Auf der Suche nach der Stille

Stille

Kannst Du Stille gut haben? Oder macht sie Dich eher nervös? Immer öfter bekomme ich mit, dass wir Menschen hier in Zentraleuropa nicht mehr zur Ruhe kommen. Und das in doppelter Hinsicht. Wir haben ständig etwas zu tun, aber auch wirkliche Stille können viele kaum aushalten. Und mit Stille meine ich nicht nur die Abwesenheit von Geräuschen. Ich meine Stille im Sinne von Reizarmut auf allen Ebenen.

Einerseits haben wir eine tiefe Sehnsucht nach Ruhe. Sie ist etwas ganz ursprüngliches, das wir  irgendwann verloren haben. Dabei haben wir aber gleichzeitig eine große Angst vor ihr.

Angst vor Stille

Wir sind ständig in Action. Im Job werden wir von Kollegen, Chefs, Kunden per Anruf, eMail und im direkten Kontakt überflutet.
Auch privat rennen wir von einem Termin zum nächsten: Es geht zum Sport, das Mama-Taxi hat Dienst, Haushalt und Ablage wollen erledigt werden, Treffen mit Freunden und vieles andere stehen auf dem Plan.
Zwischendurch ist immer das Radio an und dudelt uns zusätzlich den Kopf mit Musik und Informationen voll. Am Abend läuft der Fernseher und parallel haben wir wohlmöglich noch das Smartphone oder iPad in der Hand.

Wir Menschen haben den ständigen Drang, uns abzulenken. Wir suchen uns permanent neue Aufgaben, um uns zu beschäftigen und Ruhe zu vermeiden. Gleichzeitig achten wir penibel darauf, nichts zu verpassen.
Es gibt ein großes Unbehagen davor, alleine zu sein und auf sich selbst zurück geworfen zu werden.
Dabei konsumieren wir so viel es eben geht: Informationen, Menschen, Nachrichten, Musik, Luxusgüter, etc.
Selbst in Zeiten, in denen es ein wenig geistigen Leerlauf geben könnte, haben wir immer das Handy dabei und schaufeln weiter Informationen in den Kopf: Beim Schlange stehen, auf dem Klo, im Warteraum beim Arzt, etc.

Wir nehmen uns die Zeit nicht, um Stille zu erleben. Im Gegenteil, wir sind vielfach so überreizt, dass wir glauben, es nicht auszuhalten, wenn mal 15 Minuten nichts passiert. Der innere Lärm dröhnt im Kopf nach und die Gedanken rasen.

Fakt ist: Wir schaufeln so viel Input und Wissen in uns rein und unser Gehirn hat gar keine Möglichkeit, das alles zu verarbeiten. Wenn es schlecht läuft, führt das zu Schlafstörungen, Stressgefühlen, schlechter Laune oder auch Krankheiten.

Letztlich ist das, was uns am meisten Angst macht an der Stille, auch der größte Gewinn: Uns in der Stille selber zu entdecken.

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Der Zauber der Stille

Wenn Du anfängst, Dir mehr Stille im Leben zu gönnen, wirst Du merken, dass Du Dich wieder mehr mit Dir selber verbindest. Solange Du Dich pausenlos mit Menschen und Dingen im Außen beschäftigst, bist Du ganz weit weg von Dir selbst. Du tust so lange Dinge, die Dir von außen vorgegeben werden, bis Du im schlimmsten Fall irgendwann nicht mehr weißt, wer Du eigentlich bist.

Sobald Du zur Ruhe kommst, wirst Du Dich selber wieder erkennen. Gedanken setzen sich, das Chaos im Kopf wird klarer, Du erinnerst Dich an Dinge, die Dir wichtig sind und Du merkst, was Dich begeistert.
Du wirst eine Freiheit und Ordnung im Kopf erleben, die Du möglicherweise lange nicht hattest. Wie ein Aufatmen nach viel Stress fällt die Anspannung von Dir ab. In der Ruhe anzukommen ist einfach wunderschön, so wie nach langen Entbehrungen nach Hause zu kommen.

Ich selbst habe zuletzt zum Jahreswechsel in den sogenannten „Rauhnächten“ einen Retreat gemacht. Also, eine Art Rückzug, in dem ich mich bewußt aus Aktivitäten ausgeklingt habe, viel spazierengegangen bin, Yoga gemacht habe, meditiert und einfach die Seele habe baumeln lassen.
Und ich war überrascht, was sich in den 12 ruhigen Tagen plötzlich alles bewegt hat in meinem Kopf.

Anstatt immer mehr in das Leben zu stopfen, besteht der wahre Luxus eher darin, etwas wegzulassen. Letztlich ist Stille ein großartiges Geschenk.

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Wie kannst Du Dich der Stille wieder nähern?

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich wieder ein wenig Stille ins Leben zu holen. Ein guter Weg ist es, sich zunächst Stille im Außen zu schaffen. Wenn Du Dich zurück ziehst und Dich in reizarme Umgebungen zurückziehst, wirst Du merken, wie wohltuend das ist.

Versuche mal nichts zu tun. Sitze einfach nur da und tu nichts. Vielleicht erst mal nur für ein paar Minuten. Einfach nur sitzen ohne zusätzliche Berieselung. Kein Telefon, keine Musik, kein TV, kein PC, kein Buch, nichts. Stoppe die Druckbetankung Deines Gehirns für ein paar Minuten. Schau durch das Zimmer, in dem Du sitzt oder sieh vielleicht noch aus dem Fenster. Dabei lass die Gedanken einfach vorbei ziehen und beiß Dich nicht dran fest.

Möglicherweise wirst Du feststellen, dass Dein Hirn dröhnt, wenn Du plötzlich aussteigst aus der lauten Welt. Dir rasen tausend Gedanken durch den Kopf. Dein Geist fängt an, sich mit allen möglichen Fragestellungen zu beschäftigen: Was schenke ich Tante Frieda zum Geburtstag? Was koche ich denn nur am Wochenende? Warum hat mein Chef mich gestern so blöd behandelt? etc.
Das ist ganz normal. Du hast Dich in der Vergangenheit immer abgelenkt und diese Gedanken sind da und wollen nun raus. Vielleicht legst Du Dir einen Zettel daneben und notierst hier wichtige Dinge, die Du nicht vergessen darfst, mit einem Stichwort, um sie später wieder aufnehmen zu können. Grundsätzlich macht es aber Sinn, die Gedanken nur wahrzunehmen und wieder gehen zu lassen.

Wenn Du es schaffst, Dir regelmässig ruhige Momente zu gönnen, dann wird dieser Alarm im Kopf nach und nach weniger werden. Dein Gehirn ist noch drauf trainiert, pausenlos zu denken. Es wird nach und nach ruhiger werden und Du wirst die Stille entspannter geniessen können.

Je weiter Du kommst, desto einfacher wird es für Dich. Und Du wirst feststellen, dass Du auch in einer lauten Bahnhofshalle Stille in Dir spüren kannst.

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Wie Du auch sonst mehr Stille in Dein Leben holst

Natürlich findest Du die tiefste Stille, wenn Du gar nichts tust. Eine große Hilfe ist es aber auch, die Dinge die wir tun, etwas bewußter zu machen und uns nicht im Sinne des Multi-Taskins noch viel nebenbei laufen zu lassen. Wenn Du etwas machst, dann mach es bewußt und schalte alles andere aus.

  • Lasse beim Autofahren das Radio aus.
  • Beim Malen, Stricken, Puzzeln, Bügeln, etc. lasse keine Musik und kein TV laufen
  • Stelle die ganzen Geräusche, die Deine technischen Geräte aussenden aus (Benachrichtigungen auf dem Handy und dem PC).

Achte in nächster Zeit mal, auf wie viel Kanälen Du parallel unterwegs bist und versuche, da ein wenig zu reduzieren.
Wir versuchen immer, die Zeit möglichst effektiv zu nutzen und bei der Hausarbeit z. B. noch Vokabeln zu lernen oder etwas anderes sinnvolles zu tun. Aber dadurch nehmen wir uns immer mehr Raum, in dem sich das Gehirn mal ordnen darf. In denen unsere Gedanken ziellos schweifen können und in denen wir so neue Erkenntnisse erlangen können. Nutze diese Zeiten für Dich und geniesse die Ruhe, die sich so nach und nach in Deinem Kopf einstellen wird.

Besonders einfach ist es, wenn wir etwas tun, wo nichts anderes parallel laufen kann. Zum Beispiel, wenn wir Fahrrad fahren. Da bewegen wir uns aktiv durch die Natur (im besten Fall) und beobachten nur die Landschaft, weil alles andere grad nicht geht. Bei einer Fototour sind wir versunken in die Umgebung, weil wir konzentriert nach schönen Motiven suchen. Solche Tätigkeiten eignen sich gut, um sich bewußt Stille ins Leben zu holen. Probier es mal aus!

Anregungen für stille Momente

Es gibt so viele Möglichkeiten, sich der Stille ein wenig zu nähern. Im Folgenden habe ich noch ein paar Anregungen aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen für Dich zusammengestellt.

  • Setz Dich zuhause gemütlich hin und schau nur aus dem Fenster. Beobachte, was da draussen so vor sich geht und lass dabei die Gedanken fliessen.
  • Dreh eine Runde durch die Natur oder den Wald und lass bewußt das Handy aus.
  • Buche ein Wochenende im Kloster.
  • Mache einen Tag Digital Detox: Kein Handy, kein Tablett, kein PC, kein TV.
  • Buche Urlaub auf einer Almhütte ohne Handyempfang.
  • Lerne Yoga.
  • Buche einen Meditationskurs oder kauf Dir ein entsprechendes Buch (s. u.).
  • Plane eine Reise in stille Länder abseits der Touristenpfade: Island, Skandinavien, Kanada, etc. Mache eine Tour durch die Wüste oder durch verschneite Landschaften.
  • Nutze Wartezeiten, um Stille im Kopf zu erzeugen.
  • Wenn Du viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln reist, kaufe Dir Kopfhörer, die Außengeräusche minimieren (Noise-Cancelling Kopfhörer).
  • Suche Orte der Stille (Kirchen, Parks, etc.)
  • Bleibe morgens nach dem Aufwachen noch ein paar Minuten liegen und geniesse die Zeit zwischen Schlaf und Wachsein.
  • Gehe zu Fuß zur Arbeit und lass die Ohren frei von Musik, Hörbüchern, & Co.
  • Gehe einem Hobby nach, in dem Du ganz versinken kannst und wo Du nichts anderes parallel tun kannst.
  • Verreise mal alleine und nimm Dir die Zeit bewußt um zur Ruhe zu kommen.
  • Mache in der Zeit der Rauhnächte (25. Dezember bis 6. Januar) ein Rauhnächteretreat.
  • Mach eine Fahrradreise, zum Beispiel über den Ruhtalradweg.

Stille

Buchtipps

Wenn Dich das Thema Stille interessiert und Du gerne mehr darüber lesen willst, dann hab ich folgende Empfehlungen für Dich:

  • „Stille – Ein Wegweiser“* von Erling Kagge: Der Verleger, Abenteuerer und Bergsteiger erzählt in 33 Kapiteln über die Stille. Wunderschön  und inspirierend!
  • „Meditation für Anfänger“* von Jack Kornfield: Das Buch erklärt ganz praxisnah, was Meditation ist und wie sie funktioniert. Dazu gibt es eine CD mit 6 geführten Meditationen.
  • „Achtsam durch die Rauhnächte“* von Maren Schneider: Wunderbare Anleitung zum Runterkommen und Loslassen für die Zeit der 12 Nächte um die Jahreswende. Inkl. CD mit geführten Meditationen.
  • „Wo die Seele auftankt“* von Marco von Münchhausen: Ein Buch mit einer hilfreichen Sammlung an Ideen, wie wir unsere Ressourcen wieder aktivieren können.

Jetzt bin ich gespannt: Wie ergeht es Dir mit dem Thema Stille? Schaffst Du es, viele stille Momente in Dein Leben zu holen oder ist bei Dir immer noch viel Lärm?

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7 Kommentare

  1. Was für ein schöner Artikel. Du sprichst mir aus der Seele. Ich beschäftige mich seit einiger Zeit mit Achtsamkeit und bewusstem Erleben. Ich muss da noch viel an mir arbeiten. Danke für die Inspiration. Ich mag deine Artikel sehr. Du schreibst so positiv und lebensfroh.

    • Liebe Martina, das freut mich sehr, dass Dir mein Artikel gefällt! Und vielen Dank für das wunderschöne Lob! Hach!
      Toll, dass Du Dich um Dich kümmerst und lernst, gut für Dich zu sorgen. Da macht es für uns alle Sinn dran zu bleiben.
      Liebe Grüße!

    • Hallo Maike,

      ich habe deinen Artikel so gern gelesen, denn ich kann all deine Beschreibungen und Tipps sehr gut nachvollziehen und immer mehr davon gebrauchen. Ich finde es manchmal nur schwer, nach längeren Phasen der Stille, in denen ich ganz zu mir finde, wieder „zurück in den Lärm“ zu kommen. Ich habe das Gefühl, je mehr ich mir von der Stille gönne und je mehr ich darüber zu mir finde, desto verrückter kommt mir die Welt um mich vor. Deshalb: Mehr deiner Erkenntnisse und Ansichten, um hoffentlich immer mehr Menschen damit zu erreichen und die Welt ein wenig ruhiger und damit friedlicher zu gestalten.

      Viele Grüße aus Duisburg

      • Hallo Sonja,
        das freut mich, dass der Artikel für Dich gut passt.
        Das mit der Rückkehr in den Alltag geht mir ganz genau so. Wenn ich ruhige Phasen hatte, mag ich nicht mehr in den Trubel zurück. Aber nach kurzem habe ich mich wieder dran gewöhnt und fühle mich dort auch wieder wohl. Genauso halt andersrum.
        Ich glaube, wir brauchen einfach ein bißchen von beidem und alles im richtigen Maße. Eigentlich wie so oft. 😉
        Liebe Grüße!

  2. Liebe Maike,
    ich stelle mit Erschrecken fest, dass die Menschen um mich rum gerade fast Panik bekommen was sie mit ihrer ganzen Zeit jetzt anfangen sollen. Das finde ich Schade, ist es nicht ein Geschenk? Natürlich ist es nicht schön, dass die Welt gerade von dieser Pandemie beherrscht wird und so viele Menschen krank werden und auch sterben. Aber ansonsten sollten wir uns besinnen auf das was uns wichtig ist, überdenken ob wir nach der Krise so weitermachen wollen… Ich mache das schon seit ein paar Jahren. Es war gar nicht so einfach. Aber es ist einfach nur schön und tut so gut. Ich gehe jeden Tag spazieren, meistens 45 Minuten bis am Wochenende auch mal 2 Stunden. Ok, ich habe einen Hund, von daher muß ich natürlich raus. Im Wald einfach mal auf eine Bank setzen und der Stille lauschen, wunderschön, ich komme jedes Mal gestärkt nach Hause. Wenn ich beim Arzt im Wartezimmer sitze, lese ich ein Buch, wenn ich putze, putze ich, wenn ich esse, esse ich, ich höre auch beim Nordic walking keine Musik und viele solche Dinge. Ja, ich mache das auch nicht die ganze Zeit, natürlich gibt es auch Tage, an denen das nicht klappt und ich am liebsten alles gleichzeitig mache. Aber es klappt oft genug.
    Deine Artikel finde ich immer sehr gut geschrieben.
    Liebe Grüße
    Sabine

    • Liebe Sabine,
      ja, ich glaube auch, dass man in Zeiten von Corona gut dran ist, wenn man gut mit sich selbst zurecht kommt. Sicher ist es grade einfacher, wenn man das schon länger trainiert hat. Ich selbst bin da auch grad sehr dankbar drüber.
      Pass gut auf Dich auf in dieser verrückten Zeit!
      Liebe Grüße!
      Maike

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