Mein überraschender Weg in den Minimalismus

Me, Myshelf and I

Vor einigen Jahren habe ich einen Artikel dazu geschrieben, warum mich Ausmisten total glücklich macht. Seitdem hat sich vieles bei mir weiterentwickelt und ich habe entschieden, dazu noch mal einen neuen Artikel aufzuschreiben.

Tatsächlich entwickelte sich das bei mir so langsam wirklich in Richtung Minimalismus. Das war überhaupt nicht geplant. Aber ich merke, wie sehr es mich entlastet, nur noch Dinge zu besitzen, die mir nützlich sind oder die mir Freude bereiten. Daher ist in den letzen Jahren hier ziemlich viel Besitz ausgezogen.

Ich merke, das ist ein Prozess, der langsam vor sich geht und der nicht nur im Aussen stattfindet, sondern parallel auch im Inneren abläuft. Neben dem Besitz prüfe ich heute auch ganz genau, welche Verpflichtungen ich eingehen will und welche Freundschaften ich wirklich pflegen will.

Die Fragen, die mich dabei leiten sind:

  • Was brauche ich wirklich?
  • Was macht mich glücklich?
  • Was belastet mich und kann gehen?

Die Ausgangssituation

Überall liest man, dass der durchschnittliche Europäer etwa 10.000 Dinge besitzt. Das finde ich ganz schön viel. Und ich glaube, ich habe zu meinen schlechtesten Zeiten ähnlich viel besessen.
Bedingt durch die Konsumversprechen der Werbeindustrie haben die meisten von uns ziemlich viel gekauft. Weil es kurzfristig glücklich macht, weil es so eine schöne Ersatzbefriedigung ist und weil uns suggeriert wird, wir wären mit dem neuen Teil schön, angesehen, glücklich, was auch immer.

Meist merken wir aber schnell, dass das doch gar nicht der Fall ist. Stattdessen finden wir uns in Wohnungen und Häusern wieder, in denen die Schränke überquellen und wir komplett den Überblick über unseren Besitz verloren haben. Das ganze Zeug nimmt uns irgendwann den Atem und erdrückt uns förmlich.

Hinzu kommt: Unser Konsum ist fest an das Thema Arbeit gekoppelt. Da wir viel arbeiten, wollen wir uns anschliessend belohnen und kaufen uns was Schönes. Vielleicht brauchen wir dann bald eine größere, teurere Wohnung oder ein Haus, um alles unterzubringen. Viele verschulden sich sogar für den Konsum. Für all das müssen wir dann noch mehr arbeiten. Und so wird das Karussell weiter angetrieben.
Die Idee, da auszusteigen, gefällt mir ausserordentlich gut. Aktiv zu entschieden, was ich wirklich brauche und wie viel ich dafür arbeiten will, fühlt sich für mich ziemlich gut an.

Minimalismus

Wenn Du jetzt fragst, was Minimalismus eigentlich ist, hätte ich folgenden Erklärungsversuch: Für mich bedeutet Minimalismus, nur noch das zu besitzen, was man nutzt und gerne mag. Häufig geht das einher mit einem nachhaltigem Lebensstil, muss aber auch nicht.

Es gibt Minimalisten, die besitzen nur noch 100 Dinge. Das finde ich sehr wenig und das wäre mir viel zu extrem. Aber was stimmig ist, entscheidet dann ja jeder für sich individuell.
Ich selber besitze noch immer zu viele Dinge, als dass ich mich wirklich als Minimalistin bezeichnen würde. Aber letztlich geht es ja auch nicht um Etiketten. Für mich ist wichtig, nur noch die Dinge zu besitzen, die mir lieb und nützlich sind. Das kann ich von mir sagen und das entlastet mich sehr.

Die Vorteile des minimalistischen Lebens

Ich habe folgende Vorteile beim Reduzieren meines Besitzes erlebt:

  • Meine Wohnung ist viel übersichtlicher.
  • Ich mag den ästhetischen Aspekt einer aufgeräumten Wohnung sehr.
  • Ich weiß, was ich besitze.
  • Es wird viel einfacher Ordnung zu halten. Ich weiß, wo ich welches Teil finde.
  • Meine Schränke sind drinnen viel luftiger, so dass ich direkt finde, was ich suche und nicht mehr drei Sachen anfassen muss, um das Teil raus zu bekommen, das ich nutzen will.
  • Ich habe viel mehr Klarheit bekommen – sowohl im Innen als auch im Aussen.
  • Meinen noch vorhandenen Besitz schätze ich viel mehr.
  • Mich nicht mehr mit so viel Ballast zu umgeben, führt zu mehr Wertschätzung für mich selbst.
  • Durch reduzierte Auswahlmöglichkeiten kann ich schneller entscheiden, z. B. was ich anziehe, welches Parfüm ich nutzen oder welches Spiel ich spielen will.
  • Ich muss mich nicht mehr um so viele Dinge kümmern (z. B. putzen, updaten, etc.).
  • Ich kaufe mittlerweile viel weniger ein und schone damit die Umwelt.
  • Ich spare Geld.
  • Wenn ich Dinge verkaufe, kommt sogar Geld rein.
  • Meine Wohnungsgröße ist total ausreichend.
  • Meine Schränke sind ebenfalls total ausreichend.
  • Ein sortiertes Außen hilft mir für mehr Klarheit im Innen.
  • Durch weniger Konsum und die relativ kleine Wohnung konnte ich meine Arbeitszeit reduzieren und habe so mehr Zeit für mich.

Meine Fragestellungen auf dem Weg zum Minimalismus

Für mich haben sich in den letzten Jahren die Fragen verändert, die mich beim Reduzieren begleiten.

Bei meinen ersten Ausmist-Aktionen habe ich mir folgende Fragen gestellt:

  • Was mag ich nicht?
  • Bei Kleidung: Was passt mir nicht (mehr)?
  • Woran hängen schlechte Gefühle oder Erinnerungen?
  • Was brauche ich nicht mehr, weil ich z. B. das Hobby nicht mehr betreibe?
  • Was ist kaputt bzw. unvollständig?

Später wurden die Fragen dann etwas kritischer. Einfach, weil ich mich wirklich von Ballast befreien wollte.

  • Was habe ich lange nicht benutzt? Eine praktische Regel ist für mich: Was Du in den letzten 6 Monaten nicht mindestens 2 mal benutzt hast, kann oft weg.
  • Was hat die gleiche Funktion, so dass ich eigentlich nicht alles besitzen muss. Z. B. kann ich mit den Weckgläsern viele Zwecke erfüllen: Sie ersetzen meine alten Tuppertöpfe, ich friere darin ein, nutze sie als Servierschälchen und als Vorratsbehälter. So konnten viele andere Dinge dann gehen.
  • Muss ich so viel Besitz bei Artikeln haben, die man nur einmal pro Jahr benötigt? Z. B. bei der Weihnachts- oder Osterdeko. Ein paar ausgewählte Lieblingsstücke und ein paar temporär eingesammelte Zapfen und Zweige aus der Natur reichen doch auch.
  • Was gehörte zu meinem Vergangenheits-Ich, passt aber heute nicht mehr in mein Leben?
  • Wie viele Exemplare bzw. Auswahl benötige ich wirklich von den Dingen? Z. B. reichen doch 5 Hosen, 1 Salatbesteck, 6 x Teller & Tassen, 8 Trockentücher, etc. Ich frage mich gerade, wie viele Dinge ich wovon benötige, suche dann das aus, was ich am liebsten mag und geb die anderen Sachen weg.
  • Was ziemlich bekloppt klingen mag: Ich habe meinen Besitz gezählt. Das bringt auch noch mal viel Klarheit. Festzustellen, dass ich als Einzelperson 14 Gläser habe (nach dieser Erkenntnis noch 8). Und es führt dazu, dass ich merke, viele Sachen will ich gar nicht in meine Liste aufnehmen. Also hab ich noch viele weitere Dinge gehen lassen.
    (Falls Du jetzt wissen willst, wie viele Dinge ich noch besitze: Es sind ca. 2.000, Verbrauchsgüter ausgenommen.)
  • Kann ich meine Auswahl bei Verbrauchsgütern reduzieren? Wie viele unterschiedliche Sorten brauche ich von den Lebensmitteln? Muss ich z. B. wirklich vier verschiedene Sorten Salz besitzen? Das gleiche im Bad. Hier verbrauche ich jetzt viel ab und kaufe dann nur noch ausgewählte Produkte nach.
  • Passen meine Standards noch? Beispiel Make-up: Will ich die ganzen Dinge noch aufbewahren, weil ich mich einmal im Jahr aufwändiger schminke oder reichen nicht auch Mascara, Kajalstift, Rouge und ein Lip-Gloss?
  • Kann ich mich auf eine Variante festlegen, wo ich viel kombinieren kann? Beispiel Kleidung: Wenn ich mich auf eine Farbwelt festlege, benötige ich nicht mehr so viele Varianten und kann meinen Besitz und damit auch die Entscheidungserfordernisse deutlich reduzieren.
  • Besitze ich Dinge oder vor allem auch Kleidungsstücke, die nicht „so richtig“ toll sind? Die Bluse rutscht immer so blöd nach hinten, der Pulli ist ein bißchen zu groß, der andere pillt, der dritte macht mich total blass. Ich merke, ich fühle mich gar nicht wohl drin. Also können auch solche Kleidungsstücke gehen.
  • Würde ich dieses Teil noch mal kaufen, wenn es kaputt ginge? Oft stellen wir mit dieser Fragestellung fest, dass wir eigentlich nicht so lange warten müssen und können uns schon jetzt davon trennen.

Was tu ich heute, um nicht mehr so viel Besitz anzuhäufen?

Bei all dem Aussortieren ist es natürlich auch wichtig, darauf zu achten, was auf verschiedensten Wegen wieder zurück ins Haus kommt.

Da ich heute weiß, wie aufwändig es ist, Dinge wieder loszuwerden, frage ich mich vor einem Kauf kritisch, ob ich das Teil wirklich dauerhaft besitzen will. Wird es mir wirklich so viel Freude bereiten und / oder so nützlich sein, wie ich jetzt glaube? Oft warte ich auch ein paar Tage, ob der Wunsch wirklich von Dauer ist, bevor ich was kaufe.
Ziellose Shoppingtrips mache ich nicht mehr. Ich gehe nur noch los, wenn ich wirklich was brauche.

Und was Geschenke angeht: Ich habe mitllerweile mit meiner Familie und meinen Freundinnen vereinbart, dass wir uns nichts mehr schenken. Denn letztlich haben doch alle, was sie brauchen oder kaufen es sich selber. Und so entspannt sich auch vieles. Statt Geschenken kann man zusammen Zeit verbringen oder man spendet. Ich habe z. B. zu meinem 50. Geburtstag eine Spendenaktion für die Neven Subotic Stiftung angelegt, die Brunnen in Afrika baut.

Jetzt bin ich gespannt: Kannst du mit dem Thema was anfangen? Hast du noch weitere Tipps zum Minimalisieren? Ich freu mich über deinen Kommentar!

Weiterführende Tipps

Wenn Dich das Thema auch interessiert, hab ich hier noch ein paar Tipps für dich.

Artikel auf diesem Blog

Bücher

Sonstiges

**Für meine Buchempfehlungen verlinke ich immer zur inhaberinnengeführten Buchhandlung Seitenreich in Dortmund. Ich mag den großen, amerikanischen Bücherladen im Netz nicht noch dicker machen als er eh schon ist. Insofern bestell doch gerne in dem gut funktionieren Onlineshop dieser Buchhandlung oder kauf die Bücher beim Händler bei dir vor Ort. Möglicherweise bekommst Du die Titel auch in deiner Bücherei vor Ort oder in der Onleihe.

Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst im November 2021 und wurde später aktualisiert.

6 Kommentare

  1. Liebe Maike,
    vor einigen Jahren bin ich zufällig auf das Thema Minimalismus gekommen. Den Ansatz des „bewusst weniger haben, dafür nur das, was man gerne hat“ finde ich sehr gut. Bedingt durch zwei Umzüge von 160m2 (zu viert) auf 120m2 ( zu zweit) und dann auf 76m2 ( zu zweit) waren wir genötigt vieles zu entsorgen. Unsere einjährige Weltreise hat uns zusätzlich gelehrt, mit wenigen Dingen auszukommen. Früher habe ich das schneller, höher, weiter und mehr garnicht hinterfragt. Das neue Auto sollte größer sein als das alte. Mit dem neuen Ansatz des weniger haben geht es mir gut, allerdings hab ich immer noch zuviel. Da werde ich, angeregt durch deinen Artikel, nochmal aussortieren.

    • Hallo Marcus,
      die Erfahrung mit dem Reisen habe ich so auch gemacht. Wie leicht man sich fühlt, wenn man nur mit einem kleinen Rucksack unterwegs ist. Oder auch meine Tour auf dem Ruhrtalradweg mit nur zwei Packtaschen fühlte sich unglaublich unbeschwert an. Ich glaube, das ist eine Faszination, die das Reisen – neben dem Entdecken fremder Länder natürlich – ausmacht: Dass man den ganzen Krempel zurück lässt und eine Weile nur mit dem Nötigsten unterwegs ist.
      Dann wünsche ich Dir viel Spaß und Erfolg beim Aussortieren!
      Liebe Grüße!
      Maike

  2. Liebe Maike,
    ausmisten kann ich auch ganz gut – und doch gibt es Dinge, die ich z. B. geschenkt bekomme und die mich an Menschen erinnern. Die benutze ich selten (z. B. zwei sehr alte Meißner Porzellanschälchen). Selten benutzt, stehen in der Vitrine, wenn ich sie sehe, denke ich an E. und ihre Familie – also bleiben sie.
    Meine Wohnung ist nicht wirklich voll. Klamotten weggeben oder gelesene Bücher: kein Problem, man muss sich nur aufraffen.
    Danke für die guten Ideen und Impulse, die du hier gibst. Bis die Tage
    Annette

    • Liebe Annette,
      das ist wirklich wertvoll, wenn man sich gut von Dingen trennen kann. Und ich denke, das ist wirklich sehr individuell, was man braucht und besitzen möchte. Ich finde es so schön, wenn dann unsere Schätze zur Geltung kommen, weil drumherum nicht so viel stört.
      Liebe Grüße
      Maike

  3. Rainer Kirmse , Altenburg

    MINIMALISTISCH LEBEN

    Kein Muss, doch Mittel gegen Verdruss;
    machen wir mit dem Konsumwahn Schluss.
    Nicht ewiges Wachstum und Geld,
    Enthaltsamkeit rettet die Welt.
    Wir alle stehen in der Pflicht,
    maßvoll leben ist kein Verzicht.

    Weniger ist mehr,
    nicht nur im Verkehr und beim Verzehr;
    bei allem etwas Enthaltsamkeit,
    nehmen wir uns die Freiheit.
    Teilen und Second Hand der Trend,
    Minimalismus konsequent.

    Die Jagd nach ewigem Wachstum
    bringt letztlich den Planeten um.
    Das oberste Gebot der Zeit
    muss heißen Nachhaltigkeit.
    Statt nur nach Konsum zu streben,
    im Einklang mit der Natur leben.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus Thüringen

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